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texte und Zitate

"Die aktuellen abstrakteren Malereien rücken den

malerischen Prozess ganz direkt ins Zentrum des

Interesses. Es sind langsame Bilder, in mehreren Schichten.

Bilder wie Festplatten, in die sich die Zeit einschreibt und

diverseste Zustände meinerseits. Kleine Formate, die es

erlauben, mit nur wenigen Pinselstrichen dem ganzen Bild

eine neue Wendung zu geben. Nicht um Absolutes geht

es hier. Sondern viel mehr um die Fülle an Möglichkeiten

die jedem Augenblick innewohnt. Spontane Ideen und

Improvisation. Ein Stupsen, ein Murmeln, ein Surfen,

ein Stolpern, ein Wagen, ein Lassen, ein Schweigen,

ein Schmunzeln usw.. Jedes dieser Bilder könnte also auch

anders aussehen, und das ist gut so. " 
Christoph Holzeis, 2023

 

 

 

 

 

 

Ein Kübel voll mit Malerei

Vor etwa einem Jahr hat Christoph Holzeis

(geb. 1978 in Wien) sein Atelier in der Nähe des

Pratersterns bezogen. Dinge des alltäglichen

Lebens, banale Gegenstände sind oft Anlass für

seine Malerei. So ist eine Serie mit Kübeln entstanden,

als Behälter für Farbtuben und Hausrat,

ein an sich banales Objekt, das weder symbolisch

noch narrativ aufgeladen ist, und auch

keine außergewöhnliche Form besitzt. Ein Behältnis,

das sich für den Künstler ideal eignet,

um mit Malerei aufgefüllt zu werden. Die neutrale

geometrisierende Form, ihre Stabilität und

Ruhe fördert den selbstreferenziellen Charakter

des Malerischen. Eine solitäre dunkle Fläche

bestimmt die Komposition, der Bildgrund ist

in zwei abstrakte monochrome Flächen geteilt.

Holzeis geht es hierbei keineswegs um eine

Thematisierung der Dinge unseres alltäglichen

Lebens, oder um deren ästhetische Transformation

in ein künstlerisches Medium. Denken wir

etwa an Jasper Johns’ in Bronze gegossenen

Bierdosen. Der Vater der Pop Art auratisiert

den Konsumartikel, in dem er ihn in eine skulpturale

Form mit Sockel fasst und ihn auf eine

museale Bedeutungsebene mit Meisterwerken

der klassischen Bildhauerei stellt. Bei Holzeis

ist Gegenteiliges der Fall. Das Ding ist Mittel

zum Zweck, Vorwand um einfach zu malen. Im

Grunde ist auch gegenständliche Malerei ein

Komponieren aus einzelnen Farbzonen; Holzeis

arrangiert Flächen und Farben, die einerseits

motivisch benennbar sind, andererseits rein

aus der Malerei entstehen. So tendiert ein gemalter

Kübel mehr in eine abstrakte Form mit

atmosphärisch malerischer Textur denn in ein

Trugbild der Realität mit Haptik und glänzender

Stofflichkeit.

Die kleinformatigen Gemälde beginnt Hozeis in

einem unmittelbaren, ja absichtslosen Handeln,

in dem er die Leinwände als Farbpaletten für

das Malen an den großen Bildern verwendet.

Aus der chaotischen pastosen Sedimentation

der Ölpaste entsteht ein malerischer Bildgrund,

der dann mit den Dingen der Welt aufgefüllt

und in Spannung gesetzt wird. Diese reliefhafte

Dichte der malerischen Mittel erfährt vor allem

in diesen kleinen Formaten ihre kompakte und

intensive Wirkung. Seit 2009 sind zahlreiche

jener kompakten Bildchen entstanden, die in

ihrer Thematik ein großes Spektrum aufweisen.

Zumeist sind es Arrangements von Dingen, die

den Künstler umgeben, also in gewisser Weise

Alltagsstillleben. Farbdosen auf einem Regal,

ein Bücherstapel, ein Vogelnest, von seinen

Bewohnern aus Erde zu einem Kegel gebaut,

Skizzenblätter und andere Bildvorlagen. Informelle

Farbtupfen, breite Pinselzüge stehen

im Spannungsgeflecht mit abgebildeten Gegenständen.

Prozessualität nimmt gegenüber dem

Motivischen Überhand. Das Indexikalische des

Malerischen dominiert gegenüber dem ikonisch

Sachlichen. Christoph Holzeis studierte Malerei

auf der Akademie der bildenden Künste bei Hubert

Schmalix, dessen figurative Prägung sich

auch im Frühwerk des jungen Künstlers niederschlug.

Nach dem Studium wollte Holzeis

alles hinterfragen und für sich neu überprüfen,

was auf der Akademie gelehrt wurde: vor allem

die Technik der illusionistischen Malerei. Viele

seiner Kollegen forcierten besonders diese

Strategie, die sich in fotorealistischer „Jugendkulturmalerei“

niederschlug, mit einer gewissen

modischen Note und einem hohen Wiedererkennungswert,

um am Kunstmarkt bestehen zu

können. Holzeis konterte diesem Kanon, in dem

er sich für das „Sowohl-als-Auch“ interessierte,

etwa für die ungesehenen Zwischenräume,

die man bei einem Waldspaziergang sieht,

die Negativformen, die unbesetzten abstrakten

Zonen, das Dazwischen. Das Werden, das

Malen als Arbeitsprozess verstanden, ist dem

Künstler entscheidend; in der Andeutung von

Gegenständlichkeit liegt der Sinn, nicht in der

meisterlichen Ausformulierung mit fotorealistischer

Verführung. In diesem offenen System

gewinnt Holzeis neue Erkenntnisse für seine

Malerei. Der Maler bevorzugt das Linkische,

das Unvollkommene, Provisorische, Brüchige,

gegenüber dem polierten Finish, der souveränen

Meisterschaft, die allzu oft in eine oberflächliche

und eindimensionale Routine kippen kann.

Man denke hierbei an Paul Cézanne, der sich

von akademischen Richtlinien loslöste, den

Impressionismus überwand und zu einer revolutionären

Bildform fand, die den Kubismus in

der Moderne einleitete. Cézanne setzte mehrmals

den Pinsel in der Definition eines Motivs

an, integrierte sozusagen Pfähle in das homogene

Gewebe der luftigen Landschaftsmalerei.

Widersprüchlichkeit ist für Holzeis ein selbstverständlicher

Aspekt, ebenso wie das Groteske,

Einfache, Komische: zwei einfache Häuschen,

scheinbar kindlich gemalt, eine Badeente, aber

stets malerisch gefasst. Hierbei nimmt vor allem

Philip Guston eine Art Vaterposition für den österreichischen

Maler ein; Guston distanzierte

sich vom akademischen Kanon des Abstrakten

Expressionismus, indem er aus der Comicwelt

Sujets entlieh, die er mit informeller Malerei

auffüllte, voller Fleischlichkeit und Körperlichkeit:

Die Malerei als organisches Resultat.

Andererseits entstehen regelmäßig großformatige

Gemälde von Holzeis, die in malerischer

Textur glatter ausfallen als die kleinen Werke

und konkreter in Komposition und Struktur

gestaltet sind. Klare Formen werden auf der

Bildfläche arrangiert, wie hybride Skulpturen

in der surrealistischen Tradition des cadavre exquis:

spielerisch frei. Ein komplexes Verhältnis

zwischen Positiv- und Negativform tut sich auf,

Formen werden geklappt, umgestülpt, Figurund

Grund sind im ständigen Wechsel. Eine

Ambivalenz zwischen grafisch determinierter

Form und malerischer atmosphärischer Fläche

in lasierenden Schichten

Florian Steininger

in: Parnass, Heft 4, 2010

 

 

 

[...”Es finden Auswahl- und Verkettungsprozesse

statt, die Prozessen der Poesie vergleichbar

sind, doch existiert keine konsistente Transformationsgrammatik.”

[...] Jedes Bild entsteht

“aus dem Umgang mit den möglichen, das heißt

verfügbaren und hinzufügbaren Elementen. Es

ergeben sich sprachförmige Zusammenhänge

die als solche erkannt, jedoch nicht übersetzt

werden können.”[...]

Loock, Ulrich: Metonymische Konstruktionen. In: René Daniels;

Stedelijk Van Abbemuseum, Kunstmuseum Wolfsburg, Kunsthalle

Basel; Ostfildern: Cantz, 1998

 

 

 

 

 

„loose obedience to a vegetable law“

Christoph Holzeis rückt in seinen aktuellen Bildern

das Bild als Informationsträger und Abbild

der komplexen Vorgänge im Zuge seiner Entstehung

in den Mittelpunkt des Interesses.

Information umschreibt dabei einerseits analytisch

das Vorhandensein von Spuren verschiedener

Arbeits- und Gedankenprozesse im

Bild, die selbst bei Löschung bzw. Übermalung

einzelner Motive im Fortgang der Arbeit am

Bild erhalten bleiben, andererseits werden mit

dem Begriff der Information auch Projektionen

und inhaltliche Aufladungen von Rezipientenseite,

zu der auch der Künstler selbst zu zählen

ist, bezeichnet.

Dies präsentiert sich nun, vor allem in den

spontaneren kleinformatigen Arbeiten, in einer

freien Motivfindung, die formal gesehen

zwischen gegenständlich und abstrakt changiert.

Die größeren Formate sind durch ein ständiges

Wechselspiel von Aktion und Reaktion,

Intuition und Kalkül charakterisiert, wobei die

Bildebenen wie auch das Sujet meist mehrmals

gebrochen werden. Diese Brüche bewirken

meist eine merkliche, räumliche Irritation über

ein Innen und Außen, über Oberfläche und Tiefe.

Einzelne Motive wie u.a. Wespennester,

Frösche, Glühbirnen oder Perücken werden als

verfügbare Bildelemente räumlich innerhalb der

Leinwand verortet, bilden Pseudo-Szenerien

und erwecken in ihrem Zusammenklang narrative

Assoziationen.

Jedes Bild tritt damit als dynamisches, originäres

Gebilde in Erscheinung, das von der

mehr oder weniger ausgeprägten Unsichtbarkeit

allen Beginnens und der Fortsetzungen als

Folge von Entscheidungen und Reflexionen auf

Ebene eines Selbstbeobachtens durch den Maler

spricht. Objekt und Erzeugungsprozeß sind somit

nicht unterscheidbar, treten innerhalb der

gemalten Arbeiten tagebuchartig als zeitliche

Fixierung in Erscheinung.

Anja Werkl

Text zur Ausstellung „loose obedience to a vegetable law“ in der

Kleinen Galerie im Künstlerhaus Klagenfurt, Jänner 2010

 

 

 

 

 

[…] der himmel ist oben, die inschrift darunter,

der mann links unter der inschrift, die schulter

unter dem mann, der kopf rechts über der

schulter, links von der schulter die wolke, die

augen links unter dem balken, die nase über den

augen, der bart unter der nase, rechts darunter

der balken, links vom mann die wolke, rechts

in der mitte die sprosse, darunter das kleid,

daneben die arme, dahinter das knie, daneben

die hand, rechts davon die hand, rechts darüber

die wolken, links in der mitte die sprosse unter

der hand, links daneben der mann, rechts darunter

die leiter, links davon der turban, rechts

davon das auge, darunter die nase darunter der

bart, rechts darunter das knie, darunter der unterschenkel,

rechts daneben der mann, dahinter

das tuch, davor die haare, darunter die stirn, darunter

die nase,“ […]

Schmatz, Ferdinand: Gedicht auf die Kreuzabnahme. In: Maler als

Stifter: poetische Texte zur bildenden Kunst;

Innsbruck : Haymon Verlag, 1997

 

 

 

 

Die Wand als Bild – das Bild als Raum – der

Raum im Bild – das Bild im Raum.....

 

so in etwa könnte man die Folge beschreiben, die

Christoph Holzeis mit seiner neuen Malerei

anzettelt, andenkt, fortdenkt, ausprobiert, ausführt,

finalisiert. Oder auch: „lostritt“. Denn

es ist ein Kettenreaktion, die hier unter Einbeziehung

von Bild, Wand und Raum in Gang

gesetzt wird und ihrerseits in alle Richtungen,

vor und zurück, hinauf und hinunter, im Kreisel

des Ganzen und unter der Lupe der Einzelbetrachtung

spielerische Verschiebungen auslöst.

Ein Flirren der Wahrnehmungen, ein Spiel mit

Vagheit und Unbestimmtheit, eine Art Spiegelung

– so lange, bis Zwei- und Dreidimensionalität

verrutschen.

Fangen wir von vorne an, gehen wir zurück zum

Ausgangspunkt. Die Wand als Bild. Nehmen

wir zuerst das Ganze – das Ensemble der zehn

Bilder, die hier zu sehen sind – und die sich

zur Ausstellung fügen. Die rundum leitende

waagrechte Linie, der die Hängung der Bilder

folgt, schafft aufs Ganze bezogen Ordnung, organisiert

die große Komposition und bildet für

das Ensemble eine Klammer.

Das Bild als Raum. Während durch das Ensemble

der Malerei der große Raum, der Raum der

Ausstellung, vor allem aus der Fläche definiert

wird, erobert er sich seine Realität quasi im

Kleinen, im Bild zurück. Christoph Holzeis legt

in seinen Bildern zwar nur wenige inhaltliche

Fährten – geschweige denn dass diese konkret

wären (er lässt allenfalls Assoziationen zu, die

er manchmal auch durch Titel unterstreicht:

dennoch vermeint man durchaus Dinge wie

etwa Vogelnester, Hängematten, Liegen, Sockel,

Podeste, Tische, Stapel und immer wieder

Regale zu erkennen) – aber eine Bestätigung

gibt es nicht. Die Formen in den Bildern haben

mit der dinghaften Realität nicht wirklich etwas

zu tun. Sie sind jedenfalls nicht zuordenbar,

auch wenn es Fährten gibt...

... Fährten, wie etwa den Raum im Bild. Der erscheint

sehr wohl sichtbar und erkennbar und

hat auch Verankerungen. Immer wieder gibt

es Hinweise auf die Schwerkraft, auf ein Oben

und Unten (wenn sich etwa ein schwarzer Farbhügel

auf einem weißen Podest wiederfindet,

scheinbar darauf liegt und darüber nachgerade

ein kleines Arrangement aus einer möglichen

Wand zu kommen scheint; wenn Vogelnester

von der Decke hängen; wenn sich ein Waldstreifen

wie aus der Ferne an einen Bergrücken zu

schmiegen scheint; oder wenn Farblagen übereinander

geschichtet sind.) Und es gibt auch in

den Bildern selbst noch ein weiteres Indiz für

Raum. Eine Art Boden, eine Grundlinie, die auch

als tiefer Horizont ausgelegt werden könnte.

Doch dabei bleibt es dann auch, denn die Flächen

und Körper, die dadurch organisiert sein könnten,

scheinen sich aufzulösen, zu verwaschen, zu

verschwimmen – vielleicht sogar zu schweben,

wie etwa das Regal, das als Motiv wiederholt in

Christoph Holzeis Malerei auftaucht, oder die

Bereiche zwischen den Bildern, die das große

Ganze vor Ort ebenso gliedern wie sie die verschiedenen

Formen und Malweisen miteinander

kurzschließen. Da spielen übrigens auch Vorgänge

und Vorbereitungen mit hinein, die zum Bild

samt seinen Verdrehungen und Verwindungen

führen – etwa die Faltung von (fotografierten)

Bildern zu dreidimensionalen Körpern. Dadurch

entstehen zwar im Vorfeld raumhafte Objekte,

doch in der Folge und am Ende lösen sich diese

als Konsequenz des Malvogangs wieder in der

Flächigkeit der Malerei auf.

Womit wir bei der Malerei an sich wären oder

beim Bild im Raum, das sich durch die Malerei

Präsenz verschafft, aber auch, wie im Fall der

Bilder von Christoph Holzeis, der Malerei selbst

Präsenz verschafft.

Das Bild ist bei Holzeis zugleich Medium und

Objekt. Die Farbe ist selbst eine Wirklichkeit.

Hinweise auf die Dingwelt sind allenfalls

Fährten.

Tut man einen Blick zurück auf ältere Arbeiten

des Künstlers, dann kommen die um ein vielfaches

konkreter, dechiffrierbarer, vielleicht

sogar narrativer daher als die aktuellen Bilder.

Ein solcher Realismusbezug wäre wichtig gewesen,

er versuche ihn aber gerade hinter sich

zu lassen, hat Christoph Holzeis, der bei Hubert

Schmalix an der Akademie am Schillerplatz

studiert hat, im Vorgespräch über seine Absichten

gesagt. Da ist also auch ein Prozess der Reflexion

spürbar, der der Malerei mehr Chancen

geben will. Und dem Bild als gemaltem Objekt

die Möglichkeit, im Raum Präsenz zu entwickeln.

Was nicht heißt, dass die Ordnung aufgegeben

wird. Aber sie wird ausgelotet und im

Verhältnis der Formen, Flächen und Farben zueinander

erarbeitet – im Einzelnen, das das Bild

darstellt, und im großen Ganzen, das eine Ausstellung,

eine Werkblock, ein Zyklus darstellt.

Johanna Hofleitner

zur Ausstellung: Christoph Holzeis / Links von der Schulter die

Wolke, Startgalerie, MUSA, Wien

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